Jazz Cooks 63, Teil 1

Motta ist das Motto
Global Cuisine mit Ed Motta

Die Welt zu Gast beim (und im) Essen… In einer Berliner Küche ist unlängst mal wieder so einiges zusammengekommen: zum Beispiel die Gastgeberin Sabine Hueck, unser Chefgourmet Dieter Ilg, vor allem natürlich Ed Motta nebst Gattin, Promoterin und Produktmanager sowie kulinarische Einflüsse aus Deutschland, Marokko, Italien, Brasilien und vieler weiterer Herren und Damen Länder. Die Rezepte zum kompletten Menü gibt’s dann im zweiten Teil im nächsten Heft…

Berlin, wie es singt und lacht. Summer in the city. Wieder in Germaniens Hauptstadt unterwegs, ohne Sambagruppe, aber mit der Vorahnung, dass es gleich brasilianisch vergnügt zugehen würde. Und ich sollte mich nicht täuschen.

Ich betrete einen lichtdurchfluteten Korridor, der Wärme und Herzlichkeit ausstrahlt, die mir prompt in Gestalt von Sabine Hueck entgegenflutet, ihrerseits Berufsköchin mit brasilianisch-deutschen Wurzeln (www.sabinehueck.de).

 

So viel Farbe bin ich nicht mehr gewohnt. Alles scheint mehr zu leuchten als sonst. Sabine stellt mir gleich ihre langjährige Helferin Rosiris Garrido vor, ihrerseits Pilates-Trainerin und Akrobatin. Von waghalsigem Seiltanz nichts zu spüren, eher von Freude am Tun. Nun, Sabine und Rosiris sind schon eine Weile am Vorbereiten. Das fällt gleich beim Eintreten in die Küche auf.

Licht, Mond, Sonne? Aus der bayerischen St. Leonhards Quelle. „Ein spezielles Wasser für den Genussmenschen soll es sein“, gibt Sabine lachend von sich und stellt eine Auswahl deutscher Flüssigkeiten auf den Tisch. „Ich finde es wichtig, Gästen das Einheimische, Deutsche zu zeigen“. So reihen sich auf dem Teller Schwartenmagen respektive Sülze, Salami etc.

Die „Cocina Sabina“ hat auch einen soziologischen Ansatz. Wie kochen Japaner, die in Peru sesshaft wurden, wie kochen Deutsche, die in den Tropen ansässig sind? So ist das Mischen und qualitative Vermengen der Weltküchen Sabines Hauptanliegen. Ob Spinatbrot aus Marokko oder Brotstangen aus Italien. Fingerfood aus allen Herren und Damen Länder tummelt sich angerichtet auf dem Küchentisch. „Für den ersten Hunger, wenn er kommt.“ Sabine zwinkert mir zu. So wird er umgarnt, der Star, vom Fan. Kann denn Star-sein Sünde sein? Fragen Sie den Baum, in den die Bruthöhle genackenköpft wird. Verzeihen Sie mir den kleinen ornithologischen Ausflug in die Baumwipfel.

Es klingelt.

 

Das südamerikanische Soulmonster erscheint. Das Begrüßungsszenario als herzlich zu beschreiben wäre untertrieben. Und tatsächlich, der Kapitänsbart tragende Meisterbarde prüft sogleich, was er sieht, und er sieht reichlich Gedecktes. Ed mustert die Wasserflaschen und probiert. Ihm schmeckt das „Brandenburger Quell“, Medium aus Diedersdorf (Dohrn und Timm GmbH) vom Rande des Nuthe-Urstromtales, am besten. Dieter schmunzelt.

„Ah, Octopus, I love Octopus“. Ed fasst das Meeresgetier mit der linken Hand, und Sabine hebt das Messer zum Kampf. Doch stets bekannt, kommt das Kochen vor dem Mampf…

Sabine lässt sich trotz weiterer intensiver Zubereitungsaktivitäten nicht nehmen, Ed etwas Lardo anzubieten, von dem sie wusste, dass er es so mag. Eds Geschmack kommt meinen Vorlieben wunderbar entgegen. Logisch: Fett ist Geschmacksträger! Alte Küchenweisheit: Traue nie einem dünnen Koch. Nun, das ist natürlich von Fall zu Fall differenziert zu betrachten. Selbstverfreilich.

 

Nun ist Eds Produktmanager für Europa eingetroffen. Er trägt einen größeren Karton unterm Arm: Wein! Ed hebt die bedeutungsvoll die Augenbrauen. Götz Bühler packt die Flaschen aus, und Ed photographiert sie sogleich. Vielleicht, um eine Kolumne zu schreiben?

Die Stimmung hebt sich. Eds Frau Edna und seine Promoterin Christina Ruiz-Kellersmann integrieren sich in die allgemeine Küchenarbeit unter Sabines Regie. Die Köchinnen unterhalten sich, reden und umarmen sich immer wieder mit großer Freude.

Eine vorgekühlte erste Flasche Wein wird geopfert. Ein 2012er Westhofen Riesling trocken vom Weingut Katharina Wechsler aus Rheinhessen. Der Nachmittag startet mit 12,5 Alkoholprozenten (www.weingut-wechsler.de).

 

Noch im Schlucken und im Glasabsetzen fragt Ed nach MPS-Geschichten, nach Dieter Reith, Filmmusik von Raumschiff Orion, nach all den ganzen Anekdoten, Geschichten und Hintergründen der Hochzeit des Schwarzwald-Labels. Jetzt würde ich gerne Friedhelm Schulz an meiner Seite wissen, der hier für mich antwortend in die Bresche springen könnte. Halt, eine Anekdote fällt mir ein. Als Jugendlicher in Offenburg wohnend und intensiv wie es mir möglich war, auf den Spuren von Niels-Henning Ørsted Pedersen kurvend, schrieb ich einen Brief an Hans-Georg Brunner-Schwer, den damaligen Labelleiter und Initiator von MPS, mit der Bitte, ob es mir möglich sei, einer Aufnahme meines Idols beizuwohnen. Mir wurde negativ beschieden. Schade, ich hätte so gerne den „great Dane“ persönlich näher kennengelernt.

 

Ed bringt mich zurück in die Küchendaseinsgegenwart. Während im vorderen Hintergrund eifrig gearbeitet wird, bekundet Ed, dass sein Großvater Koch für den Privathaushalt eines Franzosen in Rio de Janeiro war. Er selbst koche zwar kaum, aber seine Frau Edna umso mehr. „Ich bin eher der Typ, der sitzt und isst“. Sabine bindet dem lächelnden Speisenliebhaber eine geblümte Küchenschürze um und äußert in Richtung Herd zurückwandernd: „Ich möchte irgendwann ein Lokal eröffnen“. Ein feines Vorhaben. Ed schnüffelt an seinen Händen und erkundigt sich nach einer Iron Soap, quasi einem Edelstahlhandling. Er möchte den noch vorhandenen Fischgeruch von seinen Händen entfernen und schwört auf dieses Produkt.

 

Auf einen Schlag sprechen wir wieder über Wein. Ed erwähnt den Winzer Dominique Laurent aus dem Burgund. Den Fruchtcharakter dessen Weine mag er sehr, aber manchmal ist ihm der Holzeinsatz zu dominierend.

Multiinstrumentalist Motta hatte in den 90ern eine Wein- und Speisenkolumne namens „Bier & Tee“ in einer der bedeutendsten Gourmetmagazine Südamerikas, „Viga – Folha de Sao Paolo“. Kein Wunder, dass Ed sich nun sehr für den von Götz angeschafften Silvaner interessiert, der fürs Essen gleich wieder kaltgestellt wird. Intensives Treiben in der Küche. Ed singt dazu die von John Williams stammende Filmmelodie von „Star Wars“ sowie eine Linie aus „Kings Road“ aus dem Jahre 1929 (mit Schauspieler Ronald Reagan). Diese Musik wurde geschrieben vom österreichisch-ungarischen Komponisten Erich Wolfgang Korngold, der mit „The Adventures Of Robin Hood“ im Jahre 1938 eine der am meisten geschätzten Filmmusiken schrieb.

 

Sabine häutet den Lachs, den sie mit Kaffirlimettensaft mariniert. Im Anschluss werde ich in die Bibliothek gebeten, wo die Hausherrin mir ihre beeindruckende Bibliothek zeigt. In Brasilien besitzt sie nochmals so viele Bücher. Ich stöbere entzückt in den Regalen, während die engagierte Köchin bereits wieder in der Küche weilt. Nun macht ein Champagne, Reserve, Veuve Durand die Runde. Ökotest befindet mit „sehr gut“ laut Aufkleber. Weiteres zu Eds Weinereien: Generell hat er ein Faible für weiße wie rote Burgunder, gerne auch Geschöpfe der Loire und der Rhone. Große Flüsse haben es ihm angetan. Ich bekunde den Einfluss von George Dukes „Brasilian Love Affair“ auf mich in den frühen 1980ern. „George has the best falsetto“ betont Ed und trällert alle Songs dieser großartigen Scheibe. Ein Repertoire, der Mann. Exzellent.

Zwischen Naschen an den Snacks erklärt Sabine das Kaffirlimettenblätterschneiden. Tja, auch das will gelernt sein.

Über einem Scheibchen Lardo landet unser Gespräch bei der Tierhaltung. Musterbeispielhaft legt Mister Motta dar, warum er Foie Gras aus konventioneller Geflügelhaltung ablehnt. Das sollte den bösen Züchtern auf die Leber gehen. Nickend probiere ich etwas vom Schafskäse aus Nordportugal, der von Verwandten hergestellt wird. Sehr geschmackvoll, alle Achtung.

Erstaunlich, wie viele deutsche Weingüter der brasilianische Kellermeister kennt und über deren Flaschlinge zu erzählen weiß. Ich frage nach seinen flüssigen Vorlieben in Nordamerika, der allseits bekannten Geburtsstätte des afroeuropäischen Jazz. Witzig und unwitzig zugleich. Umgehend erhalte ich Auskunft. Von Chardonnay der Weingüter Kistler oder Williams Selyem bis zu den Pinot Noirs aus dem Russian River Valley und von Bonny Doone. Das ist ein famoses Auskennen nach Ausprobieren. Leidenschaft wird sichtbar.

Sabine instruiert, leitet, ordnet, räumt, delegiert und beantwortet gleichzeitig meine Fragen.

 

Scampi tanzen in einer Gusseisenpfanne. Ed bekommt einen zum Probieren, brummt vergnügt vor sich hin und lässt sich von Sabine die Garung der Pfifferlinge beschreiben. Mit Knoblauch und Schalotten anbraten, mit Weißwein ablöschen, Pilze herausnehmen, Sud einkochen und schlussendlich wieder zu den Pilzen geben. Die Gastgeberin nimmt dafür ein Urgestein 2011, Riesling von der Mosel, 11,5%, Edition Markus Molitor. Wer ist da nicht gerne Pfifferling!

Wir werden aufs Heftigste nun aus der Küche gedrängt, um den finalen Handreichungen nicht im Wege zu sein, und schleichen uns gen Wohnzimmer. Einladend gedeckt strahlt dieser Raum eine helle, freundliche Wohlfühlatmosphäre aus. Ein Farbenmeer…

 

Fortsetzung folgt!

 

 

Text: Dieter Ilg (www.dieterilg.de)