Jazz Cooks 50

Schnelle Lammkotelett von Curtis Stigers
oder `S Tigers Kotelett oder I Need Gas oder……

Es ist früh am Morgen, und der Sommer nimmt eine klitzekleine Verschnaufpause, fette Wolken tummeln sich um Stuttgart herum. Auf dem Weg zur Auflösung. Ich darf die Autobahnabfahrt nicht verpassen, schlage dem Navigationssystem ein notorisches Schnippchen und tunke das geformte Blech in die herabfallenden Hänge des Stuttgarter Kessels. Geschafft und – ausnahmsweise – megapünktlich. Gastgeberin Dagmar Heerdt von Communications United weist mich ein, wo ich am geschicktesten parken kann. Ein Eichhörnchen zeigt mir den Vogel: bitte nicht zu nah an die Sträucher und Bäume rücken, denn Stadtgrün ist kostbar. Das wissen auch mittlerweile die Bienen bei uns, die der Monotonie unserer Landwirtschaftsflächen entkommen wollen, indem sie ihr Heil in der Stadt suchen, dank deren blühenden Gärten. Makabres Spiel, das wir als industrialisierte Gesellschaft da treiben. Wir jagen – durch die vernichtende Grund – und Bodenpolitik unsere tierischen Erdenmitbewohner in die zivilisierten Zentren. Eisenhart. Hier nur am Rande, allerdings dieser betreffenden Stadt: Das Bahnprojekt Stuttgart 21 gehört den Verantwortlichen um die Ohren geschlagen, damit sie die Stimme des Volkes und das der Vernunft und Intuition hören mögen. Das Wort zum Sonntag………….es ist Sonntag, einer im Juli.

Die Küche ist blitzblank, der Herd fein säuberlich geputzt, alles sieht aus wie der perfekte Start für ein Schnellkochen mitten im Tourstress. I wonder why ? Es klingelt. „Wow“ entfährt es Curtis Stigers beim Eintritt in die gute Stube des Hauses, „ I love your floor“. Tadellos gedeckt steht der Esstisch im großen Flur, von dem aus diverse Türen in die verschiedenen Gemächer führen. Durch die geleitet nun Hausherr Hans Batschauer, dem Inhaber der Eventagentur Communications United, unseren Jazzkoch zwecks Einblick in seine jazzaffinen Büroutensilien. Diverse Begrüßungsrituale geleiten die Herde in die Küche. Mit von der Partie sind Tourleiter Frank Mittag (mit glattest rasiertem Schädelchen) und Curtis Manager Tom Croxon. Knipsend auf der Pirsch: Philipp Honstetter, seinerseits selbst Wirt eines Lokals in Baden-Württembergs Hauptstadt (www.lichtblickstuttgart.de).

Der singende Saxofonist begutachtet die Stätte seines Arbeitseinsatzes. Zugutererst laben wir uns an einem viereckigen Hefekuchen, der mit seiner irdenen Süße im Mund mit der Zunge sich zu schön leicht pappigen Kugeln walzen läßt. Die einen trinken einen Kaffee dazu, Curtis erbittet einen Schwarztee und Wasser. Quasi eine Twelve- o clock-teatime. Ein Weinschrank brummelt gar leise in der Küchenecke. Er wird zuerst nicht beachtet. Im Gegensatz zu den moderneren Küchengeräten, die zumeist den Namen einer Kleinstadt nördlich Baden-Badens verraten: Gaggenau. Einst eine selbstständige Firma, mittlerweile geschluckt von der Bosch & Siemens Hausgeräte GmbH. Survival of the biggest.
Curtis inspiziert den Backofen, der als „Outdoor-Grill“ herhalten muß. In den USA zumeist mit Gasbrenner, hierzulande ein Elektroofen. Das wird es nahezu unmöglich machen, mit hoher Hitze außen für Kruste und innen für kurzzeitige Garung zu sorgen. Curtis runzelt die Stirn für eine Sekunde, bis ihn die Lust am Zubereiten ergreift und der amerikanische Optimismus in die Realität zurückholt: „Lets do it“, und lächelt in die Runde. Überhaupt strahlt Curtis eine angenehme Ruhe und Ausgeglichenheit aus. Trotz später anstehender Probe, soundcheck und Konzert. Professionelles Agieren kann nicht schaden. Flugs werden die Spargelenden abgeschnitten und das untere Stangendrittel geschält. Frankie alias Frank Mittag hilft der Entwicklung eines Mittagsessens immens, indem er ohne viel Worte die Kartoffeln schält. Da er bemerkt hatte, als einziges Gericht einen Kartoffelbrei (in der Lausitz auch „Abernmauche“ genannt) herstellen zu können, hat Curtis ihn zum Kartoffelbreimacher geadelt. Glatte Arbeitaufteilung unter differenziertem Zeitdruck. Lassen wir das semantische Differential….
Während Curtis die gelben und grünen, kleinen Zucchini längsschneidet, fragt er nach einer feuerfesten Platte. Sodann verschwindet er mit Hans in der Speisekammer und ist in wenigen Augenblicken freudestahlend wieder vor dem Ofen. „It fits“ entfleucht es ihm und mariniert Zucchini wie Spargel in einer Schüssel mit Olivenöl: „Too much is better“. Ohne Fett ist das Leben halb so schön. Schon wenn ich dieses Wort „Fett“ höre, habe ich eine Geschmacksimpression, mein sechster Sinn…..

Töpfe und Pfannen hängen erwartungsvoll vor Spüle und Herd, oberhalb thront die riesige Dunstabzugshaube. Wir sprechen über unsere Restauranterfahrungen und Curtis berichtet von einem Lokal in England, in dem – wie es sich eigentlich gehört – alle Teile des zum Opfer dargebotenen Tieres verwertet werden. Nun steht die Überlegung an, in welcher Reihenfolge die Nahrungsmittel gegrillt werden sollen.
Dagmar erklärt Curtis kurz die Funktionsweise des ungewohnten Elekroofens. Salz ist für den Mann aus Idaho das Salz in der Suppe. Darum muß es in jeglicher Version – hier gerne in Form von Knoblauchsalz – an die zu bereitenden Speisen. „You can use normal garlic of course but this is the fast way“. Schnelles slowfood eben. „I am lazy“ bekennt Curtis für den Moment. Das Fleisch wird gesalzen und mit gehacktem Rosmarin bestreut.
In Anlehnung an den großen Saxophonisten Michael Brecker, der sein ganzes Leben lang Soli seiner verehrten Heroen wie z.B. Joe Henderson transkribiert hat, schwärmt auch Curtis von dieser Weise des Lernens. „I spoke to Dave Sanborn recently, he is doing the same….Great stuff.“

Beim Herausheben des gegarten Gemüses aus dem Ofen singt unser Künstler. Freude. Sodann fragt er die Damen und Herren des Hauses, ob es zwecks Säuberung der Plastiktüten getrennten Müll gibt. Vorbildlich! Dem scheint in Stuttgart nicht gefrönt zu werden. Asche aufs Haupt. Oder Kompost. Ich darf nicht an die Vermüllung unserer werten Welt noch an die Fetischisierung von Plastik denken, sonst wird mir schlecht, bzw. um im Genre zu bleiben: ich krieg´den Blues……..

Finalmente noch etwas Aceto Balsamico übers angerichtete Gemüse. Curtis erzählt noch eine kleine Anekdote über seinen Mentor Mark Murphy. Im Hintergrund an der phoshorgrünen Küchenwand ein Hirschgeweih. Schieben wir das Wild beiseite. Das Lammfleisch kommt von der Alb (www.schaefer-stotz.de). Dort kaufen auch Baiersbronner Sternelokale gerne. In Stuttgart findet man es in der Markthalle, die zu besichtigen eh lohnt. Mann könnte sich auch eine Scheibe vom Schnitzelaffinen – ohne Hall und Echo – Curtis Stigers anhören und gen Schwäbische Alb tigern. Dort finden sich weitere Möglichkeiten an einer wunderbaren Landschaft Gefallen zu finden. Mehr dazu im neuen slowfood-Magazin Nr. 04-2010 zum Thema „Genussreise Schwäbische Alb“.

Und damit „Lost in dreams“ nicht wahrhaftig wird, öffnen wir eine Flasche, die uns bei diesem Mittagsmahle leicht begleiten und gut bekleiden soll: Weingut Ansgar Clüsserath, Riesling QbA, Vom Schiefer, trocken, 2008er. Doch bevor ich verloren gehe, muß ich zurück auf die Autobahn. Termindruck. Bei Tempomat 120. Gell.

Zutatenliste für Lammkotelett mit gegrillten Zucchini und Spargel sowie knoblauchisiertem Kartoffelpürree:
Lammkotelett, Knoblauchsalz, Rosmarin, Olivenöl, Knoblauch, groberes Meersalz, gelbe und grüne Zucchini, grüner Spargel, Kartoffeln, Butter, Sauerrahm (Schmand), Vollmilch, Pfeffer. Und jetzt losimprovisieren ! Oder nachschlagen unter: http://www.swr.de/kochkunst/rezepte/

Empfehlungen des Autors:
Eine excellent geschmorte Lammschulter italienischer Art bekommen Sie in Stuttgart im

Ristorante La Fenice
Rotebühlplatz 29
D-70178 Stuttgart
fon +49-711-61511-44
fax +49-711-61511-46
mobil +49-172-7322115
g.vincenzo@t-online.de
www.ristorante-la-fenice.de

Zuguterletzt sei meinen werten Lesern dieser Kolumne ein klitzekleines Spezereiengeschäft in Baden-Baden ans Herz gelegt. Dort erhält der Interessierte u.a. feinsten Aceto Balsamico, z.B. den „Superiore“ von Leonardi, den „Saporoso“oder den weißen „Prelibato“der Acetaia Malpighi. Alle drei aus Modena. Ihre Erdbeeren oder ihr Fisch wollen nie mehr etwas anderes sehen……seufz.

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