Jazz Cooks 38
William und Patricia Parkers New-York-Wintermenü
Was wird an einem kalten New Yorker Winterabend aufgetischt, wenn ein vielseitig aktives, sozial engagiertes Künstlerpaar aus der Free-Jazz- und Impro-Szene unseren Chef-Gourmet aus Freiburg zu Gast hat? Ganz klar: jede Menge Soulfood. Denn das ist gut gegen die Kälte, die Grippe, den Hunger – und ein bisschen auch gegen soziale Unbilden.
Nun also in NYC downtown east. Ein kurzer Blick auf die Hausnummer und solchermaßen versichert direkt auf den Klingelknopf zu. Das elektronisch ausgelöste Surren nestet sich in mein Ohr bis kurz vor der Wohnungstür unserer Gastgeber, die leicht geöffnet die ersten Küchendüfte in den Hausflur schleudert. Eintreten und schnurstracks in die Richtung, in der ich die weiteren Beteiligten dieser Begegnung kochender Art vermute. Ich finde alle bereits in der zum Wohnbereich offenen Küche; wo denn – eigentlich wie uneigentlich – sonst ?
Doch es geht eben nicht gleich zur Sache. Stattdessen setzen wir uns zum Kennenlernen an einen Tisch und gleiten sogleich in Gespräche über reisende Musiker, deren Lieblingsrezepte, welche sowohl von ihren Reisen selbst wie auch den familiären Erfahrungen aus dem Einzugsbereich der Mütter wie Großväter geprägt sind.
William hält Chicago immer noch für „segregated“, also nach Rassen getrennt, er redet von den unerschiedlichen Szenen in NY, die sich nicht mischen sondern unter sich bleiben, und so einer mehr inzestuösen Verfahrensweise nachgehen.
Ein Wellensittich wirft von der Fensterbank einige Laute in die Runde. Gottseidank keine Knickhalslaute……
Nachdem sich der Troß aufgrund diverser Speisenzubereitungen Richtung Herd begeben hat vernehme ich den Menüplan. Aha, Soulfood in Form von Collored Greens. In Verbindung mit rosmariniertem Federvieh und vanillisierten Süßkartoffeln ein Grund mehr zum erwartungsvollen Lächeln.
Patricia Parker stopft Rosmarinzweige ins Hähncheninnere bevor die beiden Zweiflügler gesalbt von der Marinade in den Plastiktüten verschwinden. Schon gibt’s die ersten Meinungsverschiedenheiten zwischen William und Patricia ob der Zubereitungsalternativen. Das kennen wir aus eigenen Erfahrungen doch nur zu gut.
William schleicht sich noch schnell in die neighbourhood um Zwiebeln zu erwerben während Patricia den mit Gas befeuerten Backofen einstellt. Daneben prangt ein Küchenbord, voll mit Vitamindosen, supplements und all den anderen Zutaten der amerikanischen Gesundheitsvorsorgeveranlagung. Wie war da noch einmal mein eigenes Motto gegen Vogelgrippe ? Ganz klar: Hühnerbrühe.
Patricia schnappt sich die Weinflasche, der Korken wird zu sehr geknickt und…..bricht. Unser Photograph Nick Ruechel stürmt heroisch voran und verhindert größeren Schaden am Medoc 2001 Reserve Special Barons de Rothschild (Lafite). Gläsersuche, Gläserfund. Kurzes Ausspülen mit der Hand. Das erste Zuprosten. William trinkt keinen Wein und hält sich am Wasser gütlich.
Patricia putzt Süßkartoffeln und sticht Löcher in dieselben. William, unser Multiinstrumentalist, schneidet Zwiebeln und Kohl, verschiedene Messer benutzend.
Die ausgebildete Tänzerin und Organisatorin des Vision Festivals in New York (www.visionfestival.org) beobachtet ihren Mann, schmunzelnd und erzählt vom speziellen Rezept ihrer Großmutter gegen Grippe: „Eine Mischung gleicher Mengen aus Apfelsaft und Wasser wird mit viel geraspeltem Ingwer, Cayennepfeffer und Nelken erhitzt und ca. 10 Minuten leicht geköchelt. Heiß trinken ! Und nicht zuletzt hilft auch das Einreiben des Gesichts mit hochprozentigem Rum…….“ Wir erwarten die Erfahrungsberichte unserer geneigten Leserschaft. Hinweis der Redaktion: Der Autor übernimmt auch keinerlei Gewähr bei der individuellen Interpretation der relativen Aussage „heiß trinken“. Fragen Sie wie immer die Jazzpolizei. TrariTrara. Für rheinische Jecken auch: UmbaUmbaTätärä…………
Nachdem William den Kohl in die hohe Pfanne gekippt hat, schüttet er aus einem Tetrapak organic chicken broth hinzu. Nach einer Weile wird die Hitze reduziert und nur noch ab und an umgerührt.
Zwischendurch hören wir Musik der verschiedensten Kulturkreise unserer nicht nur auf Bali zu schützenden Erde, z.B. tuvinische Musik aus Südsibirien (siehe auch www.avantart.com/tuva/tuvad.html ). Überall in der Wohnung sind Instrumente wie Euphonium, Kontrabass, Flöten etc. aus aller Herren Länder verstaut und deponiert, auf ihren Einsatz wartend. In Teamarbeit kümmern sich die Parkers schälend und achtelnd um die Früchtchen. Alles läuft relaxt und vergnüglich ab. Nun erklingt Musik der neukaledonischen Kanak aus dem Südostpazifik. Während sich unser Photograph in die tieferen Weihen der Williamschen Klangkörper einweihen läßt, weile ich mit Patricia nun in der Küche. Dessertvorbereitungen. Äpfel und Birnen werden in Butter angebraten, ein süßer Duft steigt einschmeichelnd in die Nase. An der Wand eingerahmt, huscht mein Blick über das „Certificate of Ordination“ from The Church Of Spiritual Humanism, mit Datum 11.06.07.
Während die Dame und der Herr des Hauses, in der Küche wiedervereint, über die wechselnden Kräfte – wie Arbeitsverhältnisse in der Küche philosophiert, drückt William die Süßkartoffeln durch die Spätzlepresse. Mit Hilfe Patricias wird geschält, denn Hitze macht ihr an den Händen nichts aus, Verhalten wie ein gestählter Profikoch. Abschmecken, Umfüllen. William schlägt die Eier ins Pürree und gießt Schlagsahne hinzu, Tröpfchen von Vanilleextrakt verschwinden in der sich verbindenden Masse.
Draußen regnet es, das Rauschen vorbeifahrender Autos erinnert immer wieder daran. Die Hähnchen werden vom Mann zerlegt. Wir lassen uns hungrig am runden Tisch nieder und füllen uns gegenseitig die Teller. William bittet um persönliches Nachwürzen, da er einer salzlosen Diät nachgeht. Der Salzstreuer macht prompt die Runde.
Das Süßkartoffelpürree hinterläßt bleibenden Eindruck in meinen Pipetten und provoziert Vorfreude aufs Nachkochen. Himmlisch. Unser auch sozial engagiertes Musikerehepaar bittet nicht alles aufzuessen, da noch am Abend ein Obdachloser zum Essen hereinschauen wird. Wir nicken.
Und wie die Jahreszeit der langen, dunklen Nächte es gebietet, vertiefen sich – nicht nur weil sich zwei Kontrabassisten am Tisch befinden – die Gespräche und landen beim Thema Märchen. Ein schöner Abend endet frei nach Fromm: „Märchen, Mythen, Träume“. Und läßt uns hoffend wünschen, daß jeder auf der Welt genug zu essen haben möge.Empfehlung des Autors:
Damit auch Sie in den Genuss wunderbarster Vanille zu fairem Preis kommen können, will ich hier eine feine Bezugsadresse erwähnen. Mit dem Vanillepulver oder sogar dem Mark der ganzen Vanilleschoten aus dieser Quelle statt Vanillearoma sind Sie auch jederzeit in der Lage, das unten angeführte Süßkartoffelrezept individuell in die Tat umzusetzen und derlei mehr:Gourmet-Vanille
Sebastian Schipulle
Georgstr. 29
53111 Bonn
fon 0228-21 76 39 (10-12h)
fax: 0721-151 297 695
info@gourmet-vanille.de
www.gourmet-vanille.de
Rezepte:
Rosmarin Hähnchen
2 mittelgroße Hähnchen (bitte aus einwandfreier Tierhaltung) putzen, mit kaltem Wasser reinigen und trocken reiben
¼ Tasse Olivenöl mit dem Saft von 2 Zitronen verschlagen,
frischen Rosmarin, Thymian und Paprikapulver beimischen und das Geflügel in einem Gefrierbeutel mindestens 1 Stunde marinieren lassen
frische Rosmarinnadeln rundum unter die Hähnchenhaut schieben
im Backofen bei ca. 175° etwa 1 ½ Stunden garen
Süßkartoffelpürree
6-7 mittelgroße Süßkartoffeln oder Yams für 45 Minuten (bzw. bis sie weich sind) bei 220° im Ofen backen
schälen und pürieren
½ Becher Schlagsahne hineinrühren sowie 2 Eier, 1 TL Vanilleextrakt (Vorsicht: intensiv !), ¼ TL Salz, ¼ TL Zimt und gut vermengen !
bei 190° ca. 30 Minuten im Ofen garen lassen
Collard Greens (Kohlblätter)
1 kg Kohlblätter waschen und kleinschneiden
2 mittelgroße, gehackte Zwiebeln in Olivenöl in einen großen Topf geben und
anschwitzen
die Kohlblätter mit 1 Pfund (=1/2 Kilo) zerkleinerter Karotten beifügen
ca. 200-300 dl Hühnerbrühe angießen
zum Kochen bringen und ca. 40 Minuten minimalst köchelnd garen bis die Blätter weich sind
Gebackene Äpfel und Birnen
1 kg Äpfel und 1 Pfund Birnen schälen und achteln
mit einem EL Butter, 1 EL Zucker und einer Prise Zimt 20 Minuten in einer tiefen Pfanne braten, bis sie weich sind
zusammen mit Vanilleeis servieren