Jazz Cooks 41
Vincent Klink kocht das Jubiläumsmenü.
Zu Besuch auf der Wielandshöhe in Stuttgart.
„Meine Küche ist keine Alltagsküche“, sagt Vincent Klink, sternegekrönter Küchenmeister, Buchautor und – gemeinsam mit Wiglaf Droste – Herausgeber der kulinarischen Kampfschrift „Häuptling Eigener Herd“. Damit ist er prädestiniert, das Jubiläumsmenü von Jazz thing zu kochen, findet unser Chefgourmet Dieter Ilg.
Keine langen Ausführungen, los geht’s mit dem Ohr am Herd.
Vincent schnappt sich sogleich eine seiner properen Gehilfinnen und ordert als erstes Zwiebeln, die er in Windeseile fein hackt. „Jede Frau in der Küche erhöht den Intelligenzquotienten“ ist einer seiner Sätze aus einem reichen Erfahrungsschatz langjähriger Küchenarbeit. Mann verzeihe und widme Dich dem Duft, der nun in einer kleinen, gut eingebrannten Eisenpfanne den Zwiebeln entweicht. Sodann wird auch die Petersilie schnell mit dem Messer in kleinste Bestandteile zerlegt. „Ob glatte oder gekräuselte Petersilie, geschmacklich ist kein großer Unterschied bis auf die Tatsache, dass sich in den Windungen der gekräuselten Petersilie Wasser ansammelt und geruchlich zum Nachteil gegenüber der glatten führt.“ Zum Glück gibt es keine Dietersilie…..Pardon, ein keineswegs glatter Kalauer der Autorenart.
Beim Thymianhacken verwendet El Vincente zumeist nur das obere Drittel inklusive Stengel, allerdings nur beim jungen Thymian.
Wozu das Gehacke ? Ein Perlhuhn soll mit einer Mischung aus Zwiebeln, Petersilie, Thymian, Milchtoast, Eier, Milch, Muskat, Salz und Butter gefüllt werden, und zwar äußerst trickreich. Vincent fährt mit Zeigefinger zwischen Haut und Brustfleisch und löst erstere nach und nach auf diese Weise vom Fleisch. Sodann gibt er mit einem Spatel die Füllmasse in einen Einmalspritzbeutel, schneidet deren Spitze ab und platziert das weiche Material zwischen Brustfleisch und Haut, was aussieht wie eine Wattierung. Nun sieht das Perlhuhn wirklich stattlich aus. Der Effekt ist kluger Natur. Denn ohne derlei Stopfakt wird speziell das Brustfleisch zu trocken, da die Ofenhitze zu direkt wie zu schnell einwirken würde. Die restliche Brotmasse wird in ein gefettetes Auflaufförmchen gebannt und dient später als zusätzliche Sättigungsbeilage. Vincent buttert das Eisenpfännchen und legt das mittlerweile dressierte (also mit Küchengarn in Form gebrachte, will sagen die Gebeine an den Körper angebundene) Geflügel zuerst auf die eine Seite zur Bräunung. Hernach auf die andere Seite. Es brutzelt gar köstlich. Und ab in den 180° warmen Ofen. Ich frage „Wie lange schmoren lassen?“ Seine Antwort:“Kochen ist Bauchsache“. Im Moment taucht an der äußeren Küchentür Winzer Breuer auf, der mit seinem jungen Weingut und seinen Reinzuchthefe-freien Produkten auf ökologischer Basis schon beachtliche Erfolge vorweisen kann. Vincent spricht in höchstem Tönen von diesem Familienbetrieb (www.weingut-beurer.de) und hat gleichzeitig ein waches Auge auf seine Küchenmannschaft. Sein Stellvertreter Helmut Schulz entbeint währendessen einen Lammrücken. Hier werden die Tiere noch ganz angeliefert. Kein Rungis-Express dieselt vor der Tür. Es wird regional und saisonal gedacht. Vincent legt größten Wert auf die Qualität wie Frische des Ausgangsmaterials, der Basis allen wirklich vollwertigen Kochens. Vollfett eben auch. Und trotz cholerischen Anfällen einiger Fernsehernährungsberater, ist der Schlag Butter in der Eisenpfanne ein ritterner. Ohne Fett weniger Geschmack. Und zur Perlhuhnfüllmasse sei noch gesagt, dass diese laut Erfinder mit Sahne statt Milch leider besser schmeckt. Der Chef hinzu:“Meine Küche ist keine Alltagsküche.“ An manchen Tagen tuts eben auch schlicht und einfach ein Topf mit duftendem Reis und etwas Sojasauce.
Was soll den Festtagshappen eigentlich begleiten? „Jetzt machä ma noch Röschdi“. So soll es sein. Vincent nimmt die rohen Kartoffeln und reibt sie grob. Und nun das wichtigste: in ein Handtuch gelegt unbedingt die Flüssigkeit ausdrücken. Je nachdem welche Sorte, kommt mehr oder weniger Flüssigkeit aus dem Tuch heraus. „Ich bevorzuge möglichst mehlige Kartoffeln.“ Er grinst, schmeißt ein schönes Stück Butter in – ja genau, wie könnte es anders sein – besagte Eisenpfanne und zitiert einen Kollegen: „Entweder man will schlank sein, oder man will gut aussehen.“
Ähnlich meinte wohl Shakespeare: „Der ist ein schlechter Koch, der seine Finger nicht ablecken kann.“ Nun die geraffelten Erdäpfel in die Pfanne bugsieren und nicht (!) anpressen. Luftig lassen.
„Mein ganzes Leben ist Improvisation“ entfährt es Vincent und schwärmt von der Zusammenarbeit mit seinem Pianisten Patrick Bebelaar. Denn der passionierte Bassflügelhornspieler ist nicht nur passiver sondern auch aktiver Jazzliebhaber. Wie bei jeder Leidenschaft, „irgendwann versteht man mehr davon, weißt Du warum etwas passiert und lernst die Zusammenhänge.“ Eben wie bei der Küchenkunst.Widmen wir uns der Vorspeisenzubereitung. Nicht zu feuchter Ziegenfrischkäse aus Weil im Schönbuch findet den Weg in die Edelstahlschüssel, wird gequetscht, mit abgezogenen Thymianblättern, Salz, Pfeffer und verflüssigtem Honig unter Zuhilfenahme eines Schneebesens verrührt. „Immer wenn es präzise wird, hat der Alte schlechte Karten“ läßt der Messerkünstler gegenüber seiner Jungköchin verlauten und animiert sie, ihre Fingerfertigkeit mir gegenüber unter Beweis zu stellen. In konzentrierter Routiniertheit schlägt Josefa die Ziegenkäseteignocken in den geölten Strudelteig ein, bis die kleinen, dreieckigen Pakete fertig verpackt sodann in Olivenöl sanft pfannengebraten werden. Mein Speichel läßt sich kaum noch unter Kontrolle halten, was der beschürzte Großmeister bemerkt und mich schnurstracks in die gute Stube ( www.wielandshoehe.de) weist. Wir setzen uns an den übersichtlich gedeckten Tisch und werden erst einmal mit dem Wielandshöhenklassiker, dem Gruß aus der Küche besänftigt: in Eintracht mit einem kleinen Schlucke Champagner läuft die Lauchquiche zu Hochform auf. Ich hatte schon des öfteren das Vergnügen, aber sie ist jetzt noch besser denn je zuvor. Hut ab. Und gleich zurück in die Kochzone um nach dem Rechten zu sehen, der Bräunung des Perlhuhns etwa.
Sommelier Häffner läßt mich den Beurer 2007er Grauburgunder aus Kernen-Stetten probieren, der für das Perlhuhn dargebracht werden soll.
Vincent und ich geben den Ziegenkäseteigtaschen, die mit kleinem Salat garniert angerichtet sind, unsere Aufmerksamkeit. Der süßlich-thymiansche Geschmack kommt wirklich gut, macht Lust auf mehr.
Hortensien schmücken das Fensterbrett neben mir, Elisabeth Klink zeigt sich für die bestens gewählte Blumenpracht verantwortlich, und beweist nicht nur hier ihren guten Geschmack. Seltenst sitzt der Fremde in einem Sternerestaurant so frei von erschlagendem Interieur. Stattdessen benebelt oftmals ein diesen Häusern innewohnender Status Quo strukturkonservativer Gesinnung das Wohlfühlsein. Beengt geht es in Vincents Reich höchstens in der Küche zu, wo viel Personal zur Hand geht.Der Gastwirt (www.haeuptling-eigener-herd.de) selbst tranchiert das Hauptgerichtstier, das mit blanchierten Karotten, Radieschen, Petersilienwurzeln und Zwiebeln nebst den gut durchgezogenen Rösti serviert wird. „Im Einfachen liegt die Kunst“. Und unter Umständen wechselt die Tageskarte sogar zweimal am Tag, da es z.B. von einem Tier nur eine begrenzte Anzahl von Stücken gibt, d.h. eine Kalbsbacke ist nicht unendlich verfügbar. Ist sie aufgegessen, erscheint das Gericht erst dann wieder auf der Karte, wenn ein Kalb angeliefert wird, das den strengen Anforderungen des Maitre genügt. Das hört sich großartig an, klingt logisch, und wird doch zu wenig praktiziert allerorten.
Zuguterletzt gibt es noch ein Lieblingsdessert des Gastgebers und zu meiner Freude auch eines von mir, denn ich liebe Meringe mit Sahne:
Meringenmelange mit frischen Brombeeren. Vincent erzählt, dass er bereits mit 15 Jahren Jazzpodiums-Abonnent war und als Jugendlicher die regionalen Jazzclubs regelmäßig abklapperte. Viele Erinnerungen gibt es an das Domicile in München und das Jazztone in Lörrach, Sta(d)tionen seiner Ausbildung zum Küchenkünstler. Für einen Bassflügelhornisten kocht dieser Mann erstklassig…………..Ziegenfrischkäsetaschen
Nicht zu feuchter Ziegenfrischkäse in einer Schüssel quetschen, mit abgezogenen Thymianblättern, Salz, Pfeffer und verflüssigtem Honig unter Zuhilfenahme eines Schneebesens verrühren. Abschmecken. Vier Schichten geölten (Olivenöl) Strudelteigs auslegen und jeweils eine Ziegenkäseteignocke am linken unteren Rand auflegen, den rechten unteren Teigrand über die Nocke legen, sodass eine Dreiecksform entsteht. Hernach wieder dreieckig auf die andere Seite einschlagen usw. bis zum Ende des oberen Randes. Beim letzten Umschlagen noch einige Blättchen Thymian zwischen die letzte Schicht legen, zur Zierde. Die Teigränder bindend zusammendrücken und die kleinen Pakete fertig verpackt sodann in Olivenöl sanft pfannengebraten. Mit z.B. grünem, angemachten Salat auf einen Teller legen und noch warm servieren.
Rösti
Rohe Kartoffeln schälen und in einer Schüssel mit kaltem Wasser aufbewahren, damit sie sich nicht verfärben. Dann grob reiben, in ein Handtuch legen und die Flüssigkeit auswringen. Butter in eine Pfanne geben. Nicht anpressen! Luftig lassen. Bräunung kontrollieren und wenden. Anschließend im 180° warmen Backofen garen lassen bis sie, nach ungefähr 20 Minuten, fertig sind.
Perlhuhn a la Vincent
Zwiebel fein hacken und in einer kleinen, eingebrannten Eisenpfanne gut anschwitzen. Sodann frische Petersilie und jungen Thymian kleinhacken. Die Zwiebel nun mit Petersilie, Thymian, gewürfeltem Milchtoast ohne Rinde, 2 Eiern, Milch oder Sahne, Muskat, Salz und Butterflocken zu einer nicht zu flüssigen Masse formen. Mit Zeigefinger zwischen Haut und Brustfleisch fahren und erstere nach und nach auf diese Weise vom Fleisch lösen. Mit einem Spatel die Masse in einen Einmalspritzbeutel füllen, deren Spitze abschneiden und das weiche Material zwischen Brustfleisch und Haut spritzen. Die restliche Brotmasse wird in ein gebuttertes Auflaufförmchen gebannt und dient später als zusätzliche Sättigungsbeilage. Ein Eisenpfännchen buttern und das mittlerweile dressierte (also mit Küchengarn in Form gebrachte) Geflügel zuerst auf einer Seite anbraten. Hernach auf der anderen Seite. In den 180° warmen Ofen für ca. 30 Minuten geben. Herausholen, in der Pfanne und mit Alufolie gut abdeckt an einem warmen Ort nachziehen lassen.
Meringenmelange mit frischen Beeren,
Rezept für ca. 4 Personen
150 g Eiweiss
90 g Zucker
300 g Himbeeren oder Brombeeren
1 EL Puderzucker
350 g Erdbeeren
1 Vanillestange
100 g Sahne
Den Ofen auf 140 Grad Ober-Unterhitze vorheizen.
Eiweiß zu Schnee aufschlagen. Der Eischnee hat die richtige Konsistenz, wenn am Schneebesen etwas Masse stehen bleibt, die sich beim Herausheben ein bißchen umbiegt. Eischnee in einen Spritzbeutel geben und auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech aufspritzen oder mit einem Löffel Nocken abstechen und diese auf ein mit Backpapier ausgelegtes Blech geben.
Das Blech in den Ofen schieben, und sofort die Hitze auf 100 Grad reduzieren und die Meringen „trocknen“ lassen.
(Dies kann kann je nach Größe ca. 5 Stunden dauern. Werden die Meringen flach gespritzt, ähnlich einer Schneckennudel, dann geht alles schneller.) Die gut getrockneten Meringen in 1 cm große Stücke zerbrechen.
Himbeeren mit Puderzucker pürieren und durch ein Sieb streichen. Die Himbeersauce kalt stellen.
Die Erdbeeren waschen, trocknen, putzen und klein schneiden. Vanillestange aufschneiden und das Mark herausstreichen. Vanillemark mit der Sahne aufschlagen. Diese nach Geschmack zuckern.
Die zerbröselten Meringen mit der gesüßten, vanillierten Sahne vermengen. Die Sahne dient nur zur Bindung der Meringenstückchen. Diese Arbeit erst vornehmen, wenn alles andere fertig ist. Die Meringenstückchen werden sehr schnell weich und deshalb muss sofort serviert werden. Meringen-Sahne-Melange in einen Ring ( ca. 8cm Durchmesser) streichen und in die Mitte des Tellers setzen. Beeren mit Soße drumherum drapieren.