Jazz Cooks 53
Trilok würzt
Crosskulturell kochen mit Trilok Gurtu
Aus dem Badischen hoch nach Henstedt-Ülzburg, nördlich von Hamburg, wo ein aus Indien stammender Perkussionsmeister die Küche seiner Heimat mit italienisch Inspiriertem kombiniert: Der Besuch unseres Chef-Gourmets Dieter Ilg bei Trilok Gurtu beweist einmal mehr, dass Essen ebenso Brücken zwischen Kulturen zu schlagen vermag wie der Jazz.
Es ist kalt draußen. Hochzeit für Ärzte und Doktoren. Ob Titeljäger Karl Theodor zu Guttenberg GEMA-Mitglied ist oder schon von der CSU in die Piratenpartei gewechselt hat ? Ob uns Ministerin Aigner gemeinsame Sache mit der Futtermittelindustrie macht und ihren potenziellen Arbeitsplatz in der Gentechnik-Lobby sichern will (siehe „Sicherheitsrisiko Gentechnik“ von Árpád Pusztai und Susan Bardócz) ? Es gibt zuviele Entscheider ohne Rückgrat. Lemminge.
Wir passieren eine Tankstelle. Auch hier triumphiert der Irrsinn in Form des unsäglichen Agrosprits E10, einem Laborkind der industriellen Agrarwirtschaft. Wir müssen uns dieser Spirale entziehen. Jeder auf seine Weise. Laut oder leise. Auf jeden Fall weise. Und singen mit den Blechbüchsensoldaten der Augsburger Puppenkiste „Roll, Roll, Roll, jawoll, jawoll……“
Stop. Sie haben das Ziel erreicht. Hört sich an wie einer dieser Unsätze des technischen Fortschritts. Wo doch jeder weiß, daß der Weg das Ziel ist. Dieses Sprichwort würzt unseren Alltag. Das Maggi des Philosophen.Wow, fast 21 Jahre haben wir uns nicht mehr gesehen geschweige denn miteinander musiziert. Trilok und ich staunen und versuchen herauszufinden wann genau unser letztes Treffen gewesen sein mag. Mit obigem Ergebnis: As time goes by. Es riecht nach Gewürzen.„Stracotto“ ruft Trilok. „Es gibt Stracotto“. Das ist italienisch ?! „Es gibt ein crossover heute“ vernehme ich aus selnem Munde, „Italien meets Indien“. Italienisches, mit indischen Gewürzen versehen. Kein Versehen sondern Absicht. „Ich habe viele italienische Freunde“ erwähnt unser Tablakünstler. Ich stecke meine Nase in Triloks selbst hergestelltes Masala mit Koreander, Kumin, Chili, Zitrone, Knoblauch, Nelke, Zimt, Oregano, Lorbeerblättern und Salz. Klar, slow food. „Ich liebe das Piemont“. „Für Carlo Petrinis – dem Mitgründer der in Italien gegründeten slowfood-Bewegung – Schwester kochte der in Deutschland lebende Perkussionsvirtuose bereits ein klassisches Tandoori Chicken.
Das Lilarot der Küchenstühle wie Teller passt farblich zu den marinierten Lammfleischbrocken. Grau-schwarz-weiße Kleider kontrastieren. Kontraste als Herausforderung.
Tatkräftig unterstützt von Triloks Frau Ute wird bereits eifrig gerührt wie gewerkelt, denn einige Vorarbeiten begannen bereits vor meinem Eintreffen, so meine Nachfragen intensiven Charakter einnehmen. Trilok spricht förmlich mit seinen Händen, gestikreiche Bewegungen unterstützen seine Worte.
Röstaromen ziehen in mein Riechorgan. Das Fleisch, angesetzt in einer Schmorflüssigkeit mit Tomaten, Nelke, Zimt, Pfeffer, Schalotten und Steinpilzen gart nun im heißen Sud gen Vollendung.
Der Kartoffelbrei. Eine Hommage an das Wohnland. Eine südamerikanische Wurzel eroberte Germanien. Eine gelungene Integration. Trilok echauffiert sich über die immer noch gärende Missachtung deutscher Jazzmusiker – obwohl sich Trilok nicht als Jazzmusiker bezeichnet – in ihrem eigenen Lande. Unsere gemeinsame Erfahrung fußt auf so simplen Ereignissen, daß es auch mir immer wieder die Sprache verschlägt. Warum erfahre ich mehr Respekt, warum werde ich besser behandelt, schneller bedient etc. pp wenn ich statt der deutschen die englische Sprache in der hiesigen Kommunikation nutze ? Au Backe. Immigranten und Jazzmusiker in der gleichen Falle.
Zurück zum Erdapfel. Das Pürree erhält Verfeinerung durch geriebene Muskatnuss, geriebenen Parmesan, geriebenen Ingwer, etwas Weißwein und Trüffelbutter. Wir schwärmen von deutschem Weißwein und seiner exorbitanten Wiedergeburt in den letzten Jahrzehnten. Grandiose Weinbergsarbeit, in die immens viel Wissen, Können und Energie hineingesetzt wurde. Wenn sich nur eine staatliche Stelle – neben all den ehrenamtlich und leidenschaftlichen Veranstaltern, die in diversen Vereinen, Kulturämtern und Organisationen bewundernswertes Engagement zeigen – mit entsprechend finanzieller Ausstattung um die heimische Szene kümmern würde. Hallo (fucking) Exportweltmeister !? Wir brauchen Deine Zuwendung. (In Sachen Jazz und Jazzverwandtem sind wir leider Importweltmeister. Der Einheimische hasst sich selbst und seine Nächsten. Einbahnstraße. Jazzahead ?) Weg von der Politik ist auch ein politischer Weg…..
Hinwendung zum Salat. Da haben wir ihn. Mit Walnüssen, Granatapfelsamen, fein geschnittenem Fenchel wie Staudensellerie, Zitrone, Walnuss – und Olivenöl. Während wir im Wohnzimmer die ersten Gabeln bewegen, bekunde ich meine Vorliebe für indische Küche, insbesondere einem gewürzten Dal mit (Safran)-reis. Unser vegetarischer Photograph nickt. Trilok sofort: „Wenn ich gewußt hätte, daß Du das so magst, hätte ich ein vegetarisches Menü zubereitet und natürlich ein Super-Dal gemacht !“ Wir tauschen unser Dalblut wie einst Winnetou und Old Shatterhand. „Du mußt Tamarinde nehmen“ begeistert sich Trilok. Tamarinde wird auch Indische Feige oder Sauerdattel genannt und ist ein klassisches Säuerungsmittel in der indischen Küche, das anstelle von Essig und Zitronensaft verwendet werden kann. Das Fruchtmark harmonisiert gut mit Chili. Okay, dazu nachher mehr.
Trilok zeigt mir eine durchsichtige Packung , Zuppa Contadina, spezielle Bohnen aus der Gegend von Bari. Für Pasta Fagioli. „Machen wir das nächste Mal“. Unser Koch schwärmt vom Barolo des italienischen Winzers Aldo Conterno. „You have to try this“. Kein Niedrigpreisniveau, gell. Wir lachen. Ich nenne einen feinen Weißwein von Bruno Giacosa, ein Roero Arneis. Bilder aus dem Piemont verzaubern. Speziell an einem nasskalten Tag wie dem heutigen. Wir diskutieren die Überlappungspunkte von Homöopathie und Ayurveda. Gerade in letzterer Medizinkunde ist es von größter Bedeutung, was der Mensch ißt, was er zu sich nimmt. Die ayurvedische Küche ist vorwiegend vegetarischen Charakters. Tja.
Die Bratenstücke sind fertig und werden mit dem Kartoffelpürree auf den farbigen Tellern serviert. ´Kommt gut. Eine Flasche Vinya Carles 2005er Crianza aus dem Priorat passt wie angegossen, optisch wie geschmacklich. Das entsprechende Gegengewicht zu den diversen, indischen Gewürzen.
Es gibt sehr gute italienische Restaurants in Hamburg respektive im Hohen Norden. „Das La Scala in Eppendorf, oder das Porto Bello am Timmendorfer Strand“ bemerkt der Meister des 7-7-7. Wir haben noch alle sieben Sinne beisammen als Trilok seine Liebe zu 100% Roggenbrot verrät. Ein Butter-Nan wäre auch nicht zu verachten. Mhm.
Es ist Zeit fürs Dessert. Frau nehme Puderzucker, gefrorene Himbeeren und rote Chili. Sodann zu einer Sauce mixen, Eis nach eigenem Geschmacksgutdünken wählen und ein Stück Schokoladenkuchen mitanrichten. Eine delikate Symbiose, weniger scharf als der Leser denken möge. Einfach ausprobieren. Desgleichen auch die anhängenden Rezepte von Trilok. Wie mache ich einen Chai und – naturalmente – ein Dal. In Indien gibt es den unausgesprochenen Wettbewerb, wer das beste Dal zubereiten kann. Kein Wunder, daß dabei verschiedenste Variationen entstanden. Die Unterschiedlichkeit nordindischer und südindischer Küche ist frappierend, z.B. Knoblauch oder kein Knoblauch ! Hauch.
Ich bekomme noch das Rezeptbuch von Triloks Großvaters zu Gesicht, teils in Hindi, teils in Englisch. Unisono wiederholen wir, daß es toll gewesen wäre, vegetarisch zu kochen und ziehen uns immer wieder mit diesem Satz auf. Das hebt die Laune. Trilok will diesen Sommer beim Palatia Jazz Festival kochen. “Vegetarisch ?“ frage ich………….Prustendes Gelächter.
Chai:
Wasser und Milch zu gleichen Teilen aufkochen, Kardamonsamen, Zimtstangen, Pfeffer, Ingwer und Nelken sowie die Teeblätter (z.B. einen Assam) dazugeben, 5-10 Minuten ziehen lassen und abseihen.
Dal:
Mung Dal eine Stunde einweichen, Kurkuma, Asafoetida, von den Kernen befreiter grüner Chili und unraffinierter Zucker (original Jaggery) sehr kurz in Ghee andünsten, die eingeweichten Hülsenfrüchte dazugeben, mit Wasser auffüllen und ca. 30 Minuten bei kleiner Flamme köcheln. (Anm. des Autors: Wer will nimmt einen TL fertige Tamarindenpaste aus dem Glas und verrührt sie mit 1/8 l Wasser und gibt diese Flüssigkeit noch zusätzlich bei) Was meinst Du Trilok zu dieser Tamarindenfastfoodvariante ? Nun noch in einer separaten Pfanne Ghee erhitzen bis die eingesetzten Senfsamen aufpoppen. Dann als Tarka: Kumin, Curryblätter, gehackter Knoblauch, gehackter Ingwer und Chilipulver anschwitzen und am Ende zu den gegarten Linsen geben. Mit Reis und Joghurt servieren.
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