Jazz Cooks 32
tok, tok, tok – und herein kommt Lars
Mit Lars Danielsson bei tok tok tok
Zwei Bassisten in einer Küche: Kann das gut gehen? Es kann, wie das kulinarische Gipfeltreffen des Jazz-thing-Chef-Gourmets und Bassisten Dieter Ilg mit dem schwedischen Bassisten Lars Danielsson und den Acoustic-Soulern tok tok tok aka Tokunbo Akinro und Morten Klein zeigte.
Es dämmert der Tag, müde schließen sich die Augenlider, die Äuglein fallen langsam ins Schloss. Aber halt, Schluss mit jeglicher Schläfrigkeit. Ich bin nur zu spät, haste die Treppe hoch und werde von Tokunbo Akinro sogleich empfangen. Alle sind schon da, Lars Danielsson und Morten Klein nicken vergnügt. „Sonst trifft man sich ja nur bei Festivals oder Konzerten hinter der Bühne, nach und vor unserem jeweiligen Auftritt, jetzt fuhrwerken wir gemeinsam in der Küche“, begegnet Lars mir freudestrahlend. Ich stimme zu und packe mein „Sommelier-Instrumentarium“ aus dem Rucksack: in vino veritas, in alkohol diabolo, in farcto drogo… Ein lang gezogenes Ahhhhhh! ertönt aus trockenen Kehlen.
Bevor auch nur ein Hauch gearbeitet wird, erklingt das artikulierte Entflaschtwerden eines einsamen Korkens. Die mit Baccate de Peche de Vigne, Liquer de Bourgogne von B. de B. Dean de Luigne aus F-Beaune, gefüllten Sektkelche gieren nach dem frischen Sekt 2004er-Riesling, Brut Nature (ohne Dosage), Pommerner Rosenberg vom Weingut Alois Schneiders. Die erste Hürde ist genommen, der 3.000-Meter-Hindernislauf ist gestartet, der erste Wassergraben bewältigt.
Lars stürmt die Apfelpyramide, schält und entkernt mit einem kleinen Messer in einer dunklen Küchenecke die säuerlichen Boskop-Früchte, während Tokunbo das gerichtete Gemüse in Windeseile würfelt. Morten nimmt kein Blatt vor den Mund und neckt die kochende Runde, dass er es heute Abend am leichtesten erwischt hat mit seiner Vorspeise, die nur eine kundige Einkaufsstrategie benötigt, um zum Erfolg zu kommen. Auch Nichtköchen gelingt seine Wahl. Das Wichtigste, das Non-plusultra des wahren Kochens, ist die Qualität der Ausgangsprodukte. Ohne Fleiß des Erzeugers kein Preis des Kochs. Wer am falschen Ende spart, den bestraft das Leben. Ohne Gammelhirn kein Gammelfleisch.
„Meckern erwünscht“ ist die Devise des Ziegenhofs Zastler der Familie Rita Gehring (Adamshofweg 1, 79254 Oberried/Zastlertal, fon 07661/627610, fax 07661/907873 mit „24 hours drive-by Selbstbedienungskühlschrank“, Mitglied der Käseroute Naturpark Schwarzwald e.V.), und ich vernehme ein nettes nachbarschaftliches Klischee: Dänisch ist keine Sprache, sondern eine Rachenkrankheit… Gemeinsames Glucksen. Und wusstet ihr, dass man ca. 12 Liter Milch benötigt, um ein Kilogramm Bergkäse herzustellen?Schwarzwälder Ziegenfrischkäse mit Honig und Feigen (Morten Klein)
Für 4 Personen
4 kleine Frischkäselaibe (je 100 g) aus biologischer Rohziegenmilch (in Deutschland nur ab Hof oder auf dem Markt direkt vom Erzeuger erhältlich), hochwertiger Tannenhonig (flüssige Konsistenz), 4 Feigen
Die Feigen in Viertel zerteilen und jeweils sternförmig auf vier kleine Dessertteller drapieren. Die kleinen Frischkäselaibe vierteln und zwischen den Feigen platzieren. Erst kurz vor dem Servieren den Ziegenfrischkäse üppig mit flüssigem Tannen- oder Waldhonig überziehen. Fertig.
Nachdem nun likörisierter Moselsekt mit dem verhonigten Ziegenkäse die erste Berührung einläutete, versuchen wir auch schon die Begegnung der Vorspeise mit einem grünen Veltliner Kies, 2004er von Kurt Angerer aus dem österreichischen Lengenfeld, die nicht allzu schlecht verläuft und auch zur Hauptspeise geleiten könnte. Doch zuvor bewegt sich Tokunbo bereits wieder umfassend mit dem Frittieren der Plantains (Kochbananen). Wir sprechen nebenbei über Jazzmagazine – in höchsten Tönen –, tiefblickende Aussagen umschwärmen wie Motten das Licht. Klatsch, Morten jagt eine mehlgeile Lebensmittelmotte. Treffer. Zur Sache.
Tokunbo richtet an, die weißen Teller werden mit Mangostücken drapiert, die Ratatouilleartige Sauce ragt neben dem dampfenden Reis in die Lüfte. Die Kochbananenscheiben knacken unter blitzenden Zähnen. Wie schwacher Donner verhält sich der Shiraz 2002er Rosemount Estate, South Eastern Australia, der in die Knie geht ob der Fruchtsäure der Mangos und der Chili-Schoten-Schärfe. Ein belgisches Trappistenbier oder ein kultiges Tannenzäpfle der badischen Staatsbrauerei Rothaus hätten wesentlich besser dazu gepasst. Meine Weinmitbringsel sind ein Blind Date, denn ohne zu wissen, wer was kochen wird, habe ich in meine Vorräte gegriffen. Frisch gepresster Orangensaft macht auch die Runde. Jetzt ist der Shiraz wirklich im Eimer. Der O-Saft lächelt siegestrunken. „Wer siegen lernt’ in Niederlagen, wird auch das Glück des Siegs ertragen“, sprach der Dichter Geibel.
Nigerianische Plantains mit Reis und Auberginen-Tomaten-Sauce
(Tokunbo Akinro) Für 4 Personen
2 Becher Reis, 1 gr. Zwiebel, 1 Knoblauchzehe, 1 Aubergine, 1 gr. Zucchini, 500 g Cocktail-Strauchtomaten, 1 Dose Tomatenmark, 2 kl. Chilischoten, Salz, etwas Butter, 4 Plantains (Kochbananen), 1 bis 2 Mangos, Pflanzenöl, Küchenrolle
Die Aubergine in Scheiben schneiden, auf einem mit Salz bestreuten Teller auslegen und mit Salz bestreuen, sodass sie beidseitig bestreut sind (das entzieht die Bitterstoffe und gibt bereits Aroma), 20 Minuten ziehen lassen. Zwiebel, Zucchini und Tomaten (Strunk entfernen) in kleine Würfel schneiden. Die Knoblauchzehe und die Chilischoten in Würfel schneiden.
Die Zwiebelwürfel in einer Pfanne auf kleiner Flamme in etwas Butter goldgelb braten, die Zucchini hinzufügen, nach eigener Vorliebe salzen (Tipp: 2 bis 3 Prisen Salz), nach ein paar Minuten die Dose Tomatenmark, die Chiliwürfelchen und die Knoblauchzehe hinzufügen. Nach 5 Minuten die Tomatenwürfel dazu.
Den Reis mit der eineinhalbfachen Menge Wasser in einem kleinen Topf auf hoher Flamme (Gasherd) ohne Deckel kochen. Salz und etwas Butter dazu. Bei Verdampfen des Wassers die Flamme reduzieren und mit geschlossenem Deckel ca. 7 bis 10 Minuten weiter garen lassen. Der Reis sollte bissfest sein, kann auch gerne am Boden etwas knusprig werden. Nach 20 Minuten das Salz von den Auberginenscheiben mit einem Stück Küchenrolle abtupfen. Die Aubergine ebenfalls in Würfel schneiden und in einem Extra-Topf kurz in etwas Butter anbraten (nur wenig Butter, damit die Aubergine nicht zu fettig wird). Die Würfel der Sauce hinzufügen und die Sauce weiterhin auf kleiner Flamme köcheln lassen. Die Plantains schälen und diagonal in Scheiben (ca. 0,5 bis 1 cm dick) schneiden. In einer großen, hohen Pfanne auf mittlerer Flamme in reichlich Pflanzenöl braten, dabei die Scheiben auf dem Pfannenboden auslegen. Sobald die Plantains goldbraun sind, auf einem mit Küchenrolle ausgelegten Teller auslegen und das überschüssige Öl abtupfen. In einer flachen Schale im Backofen bei 50°C warm halten, bis alle Plantains gebraten sind. Die Mangos würfeln und mit Plantains, Reis und Sauce servieren.
Wir gönnen uns eine kleine Verschnaufpause, in der Lars die bereits vorgegarten Paradiesfrüchte mit der buttrigen Creme überzieht und das Ganze wieder in den Backofen zurückbefördert, damit die Nachspeise zur Vollendung reift. Wir klönen über Hannover 96 und den SC Freiburg. Beim Sport angelangt, werfe ich folgende Quizfrage in die Runde: Kann mir jemand sagen, warum eine erschreckend hohe Anzahl von Mountainbikern (ja genau, die mit Spezialkleidung modellierten Erosionsbeschleuniger, des Wanderers Waldschreck) eine Parfümwolke nach der anderen hinterlassen, wenn sie an dir keuchend vorbeitreten? Warum duscht man/frau sich, bevor der Lieblingssport betrieben wird? Ist es die Angst, der eigene Schweiß unter der Plastikuniform könnte riechbar sein? Ein interessantes Phänomen, oder? Ach, es gibt Wichtigeres.
Phänomenal erdig wie irdisch dampft der satt gekleidete Apfel auf dem Teller und duftet himmlisch. Mal mit, mal ohne Vanilleeis. tok, tok, tok – und herein kommt Lars.
Tosca Apples (Lars Danielsson) Für 4 Personen
6 säuerliche Äpfel, 100 g Butter, 100 g Zucker, 100 g Mandeln, 2 gestrichene El. Weizenmehl, 2 El. Milch
Heize den Backofen auf 225°C vor. Eine Backform gut ausbuttern. Die Äpfel schälen und aushöhlen, d.h. das Kerngehäuse entfernen, sodass die Äpfel ganz bleiben. Diese in kaltes Zitronenwasser legen, damit sie nicht braun werden. Die Mandeln in kleine Stücke hacken.
Die Äpfel nebeneinander in die Backform legen und sie 10 Minuten im Ofen vorgaren. Mehl, Zucker in einem Topf ca. 3 Minuten köcheln. Die Mandeln hinzugeben und die ganze Masse über die aus dem Backofen genommenen Äpfel verteilen. Weitere 10 bis 15 Minuten im Backofen fertig garen.
Dazu passt vorzüglich Vanilleeis und/oder Vanillesauce. Gerne auch ein Sauternes als Weinmedizin dazu.
Empfehlung des Autors:
Ich bin immer wieder hin und weg von einer Orangen-Marmelade, die in Italien gerade einen besonderen Preis abgestaubt hat. Sie kommt aus den Händen und Gärten der Nonnen eines Karmeliterordens. Da kann der ehemalige Ministrant des Klosters unserer lieben Frau zu Offenburg nicht widerstehen. Warum auch? Alleinimporteur (!): Moka, Michael Grafschmidt, Hildastr. 17, Freiburg, Tel. 0761/8814581, www.moka-kaffee.de
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