Jazz Cooks 34
THUN UND LASSEN
In der Hotelküche mit Medeski, Martin & Scofield
Auf der Bühne und im Studio haben John Medeski, Billy Martin und John Scofield schon so einiges gemeinsam zubereitet, das von Jazz-thing-Chefgourmet Dieter Ilg initiierte gemeinsame Kochen dürfte jedoch eine Premiere gewesen sein. Dem Tatort angemessen gab’s: Fisch
Eine Bahnfahrt nach Berlin, Stirnrunzeln über den neu erbauten Hauptbahnhof. Gleichzeitiges Nachdenken über den Eisengehalt im Blut. Etwas Adrenalin stürmt die Venen entlang und trägt zu einer Wimpernschlagaufregung bei. Die Rolltreppen funktionieren, lässiges Kofferschleifen allerorten an diesem späten Sonntagabend.
Im gewählten Hotel Pfefferminzteebeutel an der Rezeption erlächelt und auf dem Zimmer bei den späten Sportnachrichten noch schnell ein heißes Getränk aufgebrüht. Am nächsten Morgen – nach einem klitzekleinen Frühstück – per Untergrundbahn zum Kaufhaus am Alexanderplatz, um die erforderlichen Restzutaten zu erwerben. Die Dame hinterm Fischtresen zuckt gequält mit ihren Gesichtsmuskeln bei meiner Frage nach der Herkunft des Thunfisches und ich gebe schneller auf als von mir selbst erwartet, greife den zugeknipsten Thermobeutel und eile zur Kasse. „Tüte, der Herr?“, vernehme ich noch. Genauso wie ich mich reden höre und lächeln fühle, kommt mir dieser Einkaufsprozess wie ein Erlebnis in Zeitlupe vor. Es müssen die Gerüche der pelzbehafteten Damen hochmittleren Alters sein, die mich um die mittige Morgenstunde herum einnebeln wie Autoabgase den tüchtigen Radler. Tüte links in der Hand, Tüte rechts in der Hand, Rucksack drückend unterhalb des Nackens, schleppe ich mich erfolgreich Richtung Tatort:
dem Radisson SAS Hotel mit dem großen Fischbassin in der Lobby. Ein Fahrstuhl gleitet langsam durch das Blau des Wassers. Bizarr und doch beeindruckend. Statt all der kreisenden Fische in diesem – Aquadom genannten – weltweit größten zylindrischen Aquarium stelle ich mir blubbernde Architekten und Designer vor, die hier ihre Bahnen ziehen und ab und an zum SushiBereiten peu à peu herausgefischt werden. Und wieder ging die Fantasie mit dem Autor durch. In den Genuss der Hotelzimmer bin ich noch nicht gekommen, aber man soll den Wasserturm auch von dort teilweise beobachten können. Ob die Fische nachts fluoreszierend das Leben an der Bar begutachten? Mitten in Berlin.
An der Rezeption werde ich schon von UniversalMitarbeiterin Genia Jessen empfangen, die die Interviewtermine ihrer Zöglinge koordiniert. Da Medeski, Martin & Scofield noch in den Fängen der Musikjournalisten stecken, begeben wir uns unter feiner Begleitung der PublicRelationsManagerin Nina Deutschmann – die sich sehr für diesen Kochtrip eingesetzt hat – in die Katakomben und werden in eine separate kleinere Hotelküche geführt. Hier lässt sich in Ruhe und unter Anleitung der technischen Geräte etc. des Kochs Herr Brunner werkeln, spritzen und kleckern, nach Herzenslust. Schussbereit inspiziert unsere Fotografin Anja Grabert die herangekarrten Utensilien mit Blick auf die Möglichkeiten der ersten Bilder.
Nun ist es so weit, Medeski, Martin & Scofield tauchen wie aus dem Nichts heraus auf. Heiteres Begrüßen, noch schüchternes Hufescharren ob des ungewöhnlichen Umfeldes der Begegnung, die Bühne ist der Herd, die Instrumente sind töpfischen und fischigen Charakters. Kein Mikrofon weit und breit. Nur das imaginäre Kratzen des Kugelschreibers in meiner Hand. Aber in den Händen eines Musikers ist auch dies Geräusch von unmittelbarer Unschuld. Und es ist auch kein Kugelfisch, der so manchen Japaner das Fürchten gelehrt hat, sondern Thunfisch, der zum Marinieren bereit liegt. John Medeski inspiziert das Fleisch neugierig und nickt. Sind alle Zutaten griffbereit, die Messer gewetzt? Es kann losgehen. John Scofield macht es sich erst einmal auf einem Stuhl gemütlich und lässt seine Mannen die Arbeit erledigen. Er kocht nie und freut sich lachend darüber, dass er es immerhin schafft, seine Kühlschranktür zu Hause aufzumachen. Und doch lugt er ab und an in die Töpfe und Pfannen über die Schultern von Medeski & Martin. Ein Handgriff hier, ein Handgriff da, und alles ohne Bünde. Als Verstärker kann nur der Riesendampfgarerschrank dienen, in den John M. alsbald den in große Stücke geschnittenen Muskatkürbis legt.
Der Kochbegleit und Gelenkschmierwein ist ein Riesling 2005er Freiherr Heyl zu Herrnsheim aus Rheinhessen (www.heylzuherrnsheim.de). Auf der Homepage dieses Weingutes steht ein Spruch Goethes geschrieben: „Im Zweifel aber ist kein Verharren, sondern er treibt den Geist zur näheren Untersuchung und Prüfung, woraus dann, wenn dies auf vollkommende Weise geschieht, die Gewissheit hervorgeht, die das Ziel ist, worin der Mensch seine völlige Beruhigung findet.“ Ich lasse das unkommentiert.
Während John M. den Thunfisch wäscht und trocken tupft, erwähnt er die katastrophale Überfischung der Meere. Die (Raub) Fischer sägen den Ast ab, auf dem sie sitzen, und die Fischereiminister der Herren Länder befinden den kurzfristigen Erhalt irgendwelcher Arbeitsplätze für wichtiger als die Zukunft unseres Planeten. Herrlich. Welch dämliches Verhalten.
Billy schmeißt Knoblauch und grob zerkleinerte Zwiebeln in die Pfanne und bereitet seine Pastasauce zu. Hochkonzentriert sein Blick. John M. mariniert die Fischstücke mit Soja, Rotwein (in unserem Fall einem biologischen Syrah aus Südafrika…) und Reiswein. John S. darf nun auch ran und widmet sich der Kleinschneidung von Radicchio und Chicoree. John M. übernimmt die Verantwortung für die Vinaigrette und mixt Zitronensaft, Sojasauce und Olivenöl. Dazu etwas Pinienkerne. Immer wieder kontrolliert Billy die Garwerdung der Pasta.
Es wird gesagt, dass Medeski, Martin & Wood auf ihren Tourneen in den Staaten (wenn möglich) mit dem Wohnmobil unterwegs waren und täglich selbst kochten. Reizvoll. Dazu passend die Anekdote von John M. über Bobby Hutcherson, der auf Tour in seiner Garderobe gewöhnlich kochte und dies Gekochte an seine Mitmusiker verkaufte (!). So kann man natürlich auch mit Noten spielen…
Wir unterhalten uns nun über Lebensmittel, Schwermetallbelasteten Fisch, die ungeklärten Abwässer der chemischen Industrie und derlei nette Themen mehr.
Während die Kürbisstücke immer noch vor sich hin schwitzen, serviert Billy sein Pastagericht. Das schmeckt allen prima. Noch kauend lässt John M. die Thunfischstücke im heißen Wok auf einer Seite anziehen und gießt etwas biologische Sojasauce (Tamari) an. Die fertigen Fischstücke kommen in eine Schale und werden zusammen mit dem Salat und dem in der Schale gedämpften und aus seiner Schale gekratzten Kürbis angerichtet. Sehr delikat, das Trüffelöl ist auch schmeckbar.
Unser alkoholisches Schlundöl zur Hauptspeise ist ein 2005er Graach Josephshöfer, Weingut Reichsrat von Kesselstatt (www.kesselstatt.com), Qualitätswein mit Prädikat. Die Restsüße passt gut.
Im Gehen naschen alle noch an den Birnen, die unberührt aussehen wie von Konditorenhand aus Marzipan gefertigt. Wir nicken einträchtig ob einer Wiederholung dieser Performance. Doch Schluss, es ist Zeit fürs nächste Interview. Nina Deutschmann räumt noch in der Küche ab, ich schabe die Essenskrümel aus meinem Notizheft und nehme die Reste des Thuns als Wegzehrung mit. Auf unser aller Gesundheit!
Billy Martins Penne rigate alla pomodoro con basilico
1 Dose geschälte Tomaten
1 kleine Dose Tomatenmark
Olivenöl (1 bis 2 Tassen)
3 bis 5 Zehen Knoblauch
1 kleine gelbe Zwiebel
Nudelwassersalz
Frisches Basilikum und frischer Oregano
500 gr. Penne rigate
Grana Padano
Für die Sauce die Zwiebel grob hacken und den Knoblauch zerdrücken. Ins erhitzte Olivenöl geben. Zerrupfte Kräuter hinzugeben. Kurz nachdem die Zwiebeln leicht angeröstet sind, Tomaten und Tomatenmark dazu und leicht köcheln lassen. Anfangs die Tomaten mit dem Holzlöffel in der Pfanne zu zerkleinern versuchen. Wenn die Sauce zu dick wird, noch etwas Wasser einrühren. Währenddessen das Nudelwasser erhitzen und, wenn es anfängt zu kochen, 2 Teelöffel Salz hineingeben. Al dente kochen, ca. 10 bis 12 Minuten (siehe Verpackungsaufdruck). Nicht labberweich kochen! Das Wasser abgießen und etwas gutes Olivenöl an die Nudeln geben, diese kurz ausruhen lassen. Basilikum mit der Schere kleinschneiden. Einen Teller nehmen, Pasta pro Person darauf portionieren, Sauce draufgeben (nicht zu viel), geriebenen Grana Padano nach Gusto zuoberst, mit etwas Basilikum toppen.
John Medeskis marinierter Thunfisch, gedämpfter Kürbis und beigelegter Salat (auf dessen genaue Rezeptanweisung wir leider bis Redaktionsschluss vergeblich warteten. Please check: www.jazzthing.de…)
John Medeskis Birnendessert
4 Birnen für 4 Personen
Sternanis
Nelke
Rotwein
Honig
Grob gehackter Ingwer
Alle Zutaten bis auf die Birnen in einer Kasserole erhitzen. Die Birnen unten abschneiden, so dass sie mit schön planer Fläche eigenbirnisch stehen können, und die Früchte entkernen. Diese dann zu der dampfenden, aromatisierten Flüssigkeit in den Topf stellen und ca. 10 bis 15 Minuten dämpfen lassen. Garzeit ist abhängig vom Reifegrad der Birnen.
Empfehlung des Autors:
Fisch ist nicht gleich Fisch. Senf ist nicht gleich Senf. Im Eifelstädtchen Monschau ist „eines der ältesten Gewürze der Welt“ kein Schlagwort, sondern ein Verkaufsschlager. Ich habe noch keinen besseren Senf entdeckt. Ob der Honigsenf mit Mohn für die Salatsauce, der Tomatensenf zur Abrundung der Bratensauce oder der Chilisenf als verdauende Begleitung zur Grillwurst: Das hat Hand und Fuß.
Historische Senfmühle Monschau, Guido und
Ruth Breuer, Laufenstr. 118, 52156 Monschau, fon 024722245, www.senfmuehle.de