Jazz Cooks 56, Teil 1
Meer Rebekka
In der Familie Bakken weiß man anscheinend seit jeher das Leben zu genießen. Das legen jedenfalls die „meerwertigen“ Familienrezepte nahe, die Rebekka Bakken für unseren Chef-Gourmet Dieter Ilg und beider Gastgeber Wolfgang Muthspiel gekonnt zubereitete und mit perfekter Weinbegleitung versah. Eigens aus diesem Anlass war Bakken in ihre langjährige alte Wahlheimat Wien geflogen und hatte sogar tiefgefrorene, hochsensible und überaus kostbare Meeresspezialitäten aus ihrem Geburtsland Norwegen im Köfferchen mitgebracht. Damit Dieter Ilg seiner Begeisterung hierüber angemessen Ausdruck verleihen kann, haben wir der Schilderung eine zweiteilige Folge eingeräumt .
Rebekka schwärmt von der Qualität österreichischer Weine. Das wird Ihnen, wenn Sie Teil 1 gelesen haben, bereits aufgefallen sein. „Du wirst sie auch gern haben, trust me“ zwinkerte sie mir beim Schleppen der Wiener Einkaufstüten zu. Felsenfest überzeugt. Genauso stelle ich mir eine Sommeliere vor; jemanden, der andere an den eigenen Entdeckungen Anteil nehmen lassen möchte. Plopp, schallt es leise durch die Küche. Madame hat der Flasche den Zahn, Verzeihung, Korken gezogen. Etwas Luft für das propere Geschöpf. Meer, Verzeihung, mehr dazu später.
„So, very kleine Bananen“ ruft Rebekka, wild mit dem pflanzlichen Gelb fuchtelnd. Eine sehr mutige Mischung sich auf den ersten Blick nicht zu vertragen scheinender Zutaten kündigt sich an. Wildbananen und rote Beete mit Haselnüssen und Salatblätter. Mamma mia. Genau, eine Kreation von Rebekkas Mutter. Norwegen läßt grüßen. Dazu eine Salatsauce aus Senf, Olivenöl, hartem Eigelb, Salz und Pfeffer.
„Extremely important on this salad is the pepper“ läßt die Köchin erklingen. I certainly agree. Wie traurig sind all die Behältnisse mit gemahlenem Pfeffer, wie sie fast ausnahmslos verloren, einsam und vernutzt auf den Gasthoftischen dieser Welt ihr trübes Schicksal blasen. Zu abgestanden, um in die Nase gehaucht vielleicht noch ein Niesen zu erzeugen geschweige denn einen ätherischen Pfeffereindruck zu hinterlassen. Schüttelfrost.
Rebekka kreist noch einmal mit dem Zauberstab durch ein Gefäß. Wir starten ein Chorsingen mit dem Eigenton des surrenden Maschinchen.
„Für ihre mixdrinks ist sie ja berühmt !“ bemerkt Wolfgang nonchalant. Dem sollte ich auch einmal auf den Grund gehen. Eine durchaus animierende Alternative zum Grundtöne spielen. Das Gründen einer mixdrink-Runde.
Rebekka: „He is rocking the wine world !“
Dieter: „Wer ?“
Rebekka: „Rudi.“
Dieter: „Ratlos ?“
Rebekka: „Pichler !“
Dieter:„Ich versteh´nur Eintopf….“
Rebekka: „Dieter !!!!!!!“
Dieter: „Verzeihung.“
Des Rätsels Lösung: Weissenkirchner Achleithen, Riesling Smaragd, 2010, Wachau, von Rudi Pichler.
Rebekka: „Ein Juwel“
Dieter: „ Vom Juwelier ?“
Rebekka: „Dieter !!!!!“
Dieter: „Verzeihung“.“
„It´s fantastic and it needs some years“ meint die Gesangselevin mit funkelnden Augen und eindrücklichem Blick auf meinen sich nicht zu öffnen trauenden Mund“. Ich lächle zurück. Auch wegen der Juwelen, Verzeihung, Mineralien, die sich auf meiner mit Riesling überfluteten Zunge bemerkbar machen. Dieses junge Geschöpf braucht Luft, wie schon Rebekka konstatierte.
Rebekka: „You have to drink them simultaneously“
Dieter: „Gleichzeitig, nebeneinander, im selben Zug ? Wiener Westbahn ?“
Rebekka: „Dieter !!!!!!“
Gemeint war tatsächlich, den feinen Pichler mit einem 2009er, Grüner Veltliner von Prager, Achleiten, Stockkultur, Smaragd, Wachau zu verkosten. Eine durchaus wagemutige Aufgabe, aber weder uninteressant noch nicht passend. Ein lohnender Versuch. Egal, ob Achleiten oder Achleithen ? Ach Rebekka, als ehemalige – wenn auch kurzzeitige – Einwohnerin Prags….könnte ich ja jetzt wieder. Fehlanzeige. Kalauerverbot. Unausgesprochen. Versprochen.
Tochter Bakken bedankt sich bei Mutter Bakken für die Besorgung und Bereitstellung der fundamental wichtigen Hauptspeise: persönlich aus Oslo importierter Krebse von Frøya. Das sind mit Scherenfleisch von mehreren Krabben gefüllte Krabbenhauptkörper. Kucken Sie mal auf eines der Photos. Da liegt so ein Eiweißteil auf seinem Rücken auf weißem Porzellan…..
Erkannt ? Sehenden Auges. Früher wurde man nahezu blind vom Fusel aus der Alpenrepublik, heutzutage blendet die Sonne aus manch einer kaiserlichen Flasche. Kein Franzbranntwein. Um Himmels Willen.
Unsere singende Sissi prostet uns zu. Salat, Krabbenfleisch, die Weißweine, die gemeinsam abgeschmeckten Krabbenfleischdipps. Wolfgang darf Versuchskaninchen spielen und probieren. Er lächelt. Alles harmoniert bestens. Bundrein gewissermaßen. Hut ab.
Zeit zum Dessert. Die nehmen wir uns. Schokolade (70% Edelbitter in diesem Falle) wird im Wasserbad aufgelöst und die Erdbeeren fast ganz durchgezogen.
Dieter: „Erdbeeren im September in Wien ?“
Rebekka: „Verzeihung“
Dieter: „Rebekka !!!!“
:O) = Schallendes Gelächter.
Kleine Gläser und Tässchen werden mit Cantucci gefüllt. „Cantucci von Billa sind die besten“ vernehme ich. „Die mußt Du in den Portwein tunken“. Gesagt, getan. „Also, Chocolate and portwine is a perfect combination“ ist die nächste Verlautbarung. Das Pistazieneis stammt von der Eisdiele Bortolotti ( www.bortolotti.at )aus der Mariahilferstrasse, Christa sei dank. Alles wird zusammen angerichtet. Vor jedem von uns türmt sich eine Batterie süßer Versuchung auf. Vorne links die cantucci, vorne rechts das vom Limoncello getränkte und fein geschmückte Eis, dazwischen die zwei Erdbeeren, hinten links im hochstieligen Glas die Muskat Ottonel Auslese vom Weinlaubenhof Kracher, Burgenland, und hinter den Früchtchen ein verziertes Glas mit der Portwein-Cuvee „Portuguese Love“, einem 2008er Remix (?), Syrah & Blaufränkisch, high volume vom Weingut Artner. In der Flasche des letzteren befindet sich ein Korken mit einem eingebrannten Code für das download eines mp3 – Songs: „Bah-Samba – Restless Soul Remix“. Ach ja…….81g/l Restzucker geben mir den Rest. Ich bin pappsatt und damit definitiv nicht einsam unter Freunden.
Was kann nun noch passieren ? Erhellende Gespräche. „You don´t know where the light comes from“ höre ich mich sagen. Märchen, Mythen, Träume von Erich Fromm, prägender Philosoph des sogenannten normativen Humanismus. Um davon träumen zu können, bedarf es noch eines cafè decaffeiNato. Auch ohne atlantisches Bündniss. Gebündelte Geschichten aus NYC beschäftigen uns. Zufriedene Gesichter, beseeltes Mienenspiel. Rebekkas Verpflichtungen für Interviews am folgenden Morgen, sowie ihr Auftritt bei einem Benefizkonzert für Krebshilfe (Pink Ribbon) am nächsten Abend veranlassen uns, profanen Haushaltstätigkeiten Nachdruck zu verleihen. Flaschen ordnen, aufräumen, spülen. Das sich ewig drehende Rad. Weniger backen, dafür Meer Rebekka……
Krebse von Frøya mit drei verschieden Saucendipps
1-2 gefüllte Krebse pro Person, eventuell mit etwas Zitronensaft besprengen
Salat von Mutter Bakken: (Kleine) Wildbananen schälen und scheibeln, gekochte rote Beete in Scheiben schneiden und mit gehackten Haselnüssen und Salatblättern (z.B. von Romana und Radicchio) nach gusto vermengen.
Rogendipp, Dilldipp und Knoblauchdipp: Dazu stellen wir eine eigene Mayonnaise her, verteilen diese auf 3 Schüsselchen und vermengen den Inhalt jeweils entweder mit kleingehacktem Knoblauch, Fischrogen oder feinstzermessertem Dill.
Dazu einen Prager Gruener Veltliner 2009 und einen Pichler Riesling 2010 zur parallelen Verköstigung.
Allerlei allerlei – Dessert:
– in Schokolade getauchte Erdbeeren
– ein Süßwein namens „Portuguese Love“
– Pistazieneiscreme mit Limoncello, gehackten Pistazien, weißer Schokoladensauce mit Stückchen und hauchdünne Scheiben von einer Limette
– Cantuccini
– Dessertwein von Kracher
Empfehlung des Autors:
Feine Pfeffersorten bekommt der Interessierte bei den beiden folgenden Adressen. Meine Favoriten momentan sind:
Indischer Tellicherry, ein schwarzer Pfeffer mit sehr aromatischem und intensivem Geschmack und leichter Schärfe. Sowie Bengalischer Pfeffer mit leicht süßlichem, fast wärmendem Geschmack.
www.gewuerzkarawane.de
www.orlandosidee-gewuerze.de
Und diesen dann immer frisch vor Gebrauch im Steinmörser auf den gewünschten Mahlgrad stösseln !
Eine Stunde von Wien entfernt befindet sich ein wunderbares Gasthaus zum Entspannen (und Ranzenspannen….). Man möge mir dieses Wortspiel nicht übel nehmen. Nehmen Sie sich die Zeit für einen Ausflug in die bodenständige Haubenküche. Haubentaucherragout steht nicht auf der Speisenkarte, aber dafür dürfen Sie dem nicht Hauben tragenden Küchenteam auf die Haare, Verzeihung, Finger schauen und sich vielleicht den Cheftisch reservieren. Ohne Scherz, eine meiner kulinarischen Höhenflüge in 2011. Auch ohne Pilotenschein. Keine Angst vor Golfspielern und Mountainbikefahrern. Auch (vor)letztere baden nur in heißem Wasser. Event hin oder her. Bei Kaiserwetter sich vortrefflich im Garten verköstigen. Österreich wie es leibt und lebt.
TRIAD
Veronika & Uwe Machreich
Ödhöfen 25, Bad Schönau
A-2853 Krumbach
fon +43-2646-8317